Text aus: mittendrin Nr.1/2004 YA BASTA! - 10 Jahre Aufstand der Würde in Chiapas Die zapatistische Armee der
Nationalen Befreiung (EZLN) in Chiapas, im Süden Mexikos, feiert in diesen
Wochen ein Doppeljubiläum – das sogenannte 20+10-Jubiläum, den 20. Jahrestag
ihrer Gründung (am 17.11.1983) und den 10. Jahrestag des zapatistischen Aufstandes. Auch in Chiapas war der
bewaffnete Aufstand das letzte Mittel, um die Lösung zugespitzter sozialer
Probleme zu erzwingen. Der Aufstand der Zapatistas brachte die Misere der
indigenen Bevölkerung auf die politische Tagesordnung Mexikos und verlieh „denen,
die keine Stimme haben“ eine Stimme. Die Rebellion gegen die quasi-feudalen
Zustände in Chiapas, einer Region, and der die mexikanische Revolution
(1914-17) spurlos vorüberging, war zugleich ein Aufstand gegen den
neoliberalen Kurs der Regierung zu einem Zeitpunkt, als die
Anti-Globalisierungsbewegung noch nicht existierte - der Beginn am 1.1.1994
war durchaus symbolisch gewählt: es war der Tag des Inkrafttretens des
Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA). Nach 12tägigen Gefechten (die
Zapatistas hatten 6 Städte besetzt), zog die EZLN zurück in die Berge und die
mexikanische Zivilbevölkerung auf die Straße. Unter dem Druck von
Massenprotesten erklärte die Regierung den Waffenstillstand, der - von der
Aufstandsbekämpfung der Regierung („Krieg niedriger Intensität“) abgesehen -
bis heute gehalten hat. Dass die Aufstandsbekämpfung nicht so brutale Formen
annahm wie in anderen Regionen der Welt, lag einerseits an erfolgreichen
Deeskalationstechniken der EZLN (berühmt sind die zapatistischen Frauen, die
oft die mexikanische Armee am Vorrücken hinderte) und andererseits an einer
permanenten internationalen Präsenz in Form von Menschenrechtsbeobachtern in
Chiapas. Die ELZN erwies sich als
„Medienguerillas“ und mobilisierte mit Hilfe des Internets und zahlreicher
Kommuniqués die Solidaritätsbewegung. Nach rund zweijährigen Verhandlungen
gab es – scheinbar – einen ersten Erfolg: Das Abkommen über „Indigene Rechte
und Kultur“ wurde am 16.02.1996 von Regierung und EZLN unterschrieben. Dieses
Abkommen würde der indigenen Bevölkerung (in ganz Mexiko !) ein gerüttelt Maß
an politischer, kultureller und wirtschaftlicher Autonomie zubilligen. Bei
den weiteren Verhandlungen zeigte sich, dass die mexikanische Regierung weder
die Absicht hatte, dem unterschriebenen Abkommen Geltung zu verschaffen, noch
bei anderen Verhandlungsthemen greifbare Ergebnisse zu erzielen. Von diesen
Scheinverhandlungen verabschiedete sich die EZLN im August 1996 und widmete
sich der Mobilisierung der Öffentlichkeit, um die Umsetzung des o.g.
Abkommens zu erzwingen. Dazu zählt u.a. die Durchführung von zwei
landesweiten Volksabstimmungen und schließlich – im Frühjahr 2001 die Reise
der kompletten EZLN-Kommandantur in die Hauptstadt – begeleitet und beschützt
von Tausenden Vertretern der Zivilgesellschaft. Parallel zu diesen Bemühungen
arbeiteten die Zapatistas seit Jahren der praktischen Umsetzung ihres
Autonomiekonzepts. Sie schufen (bereits Ende 1994) mit der Ausrufung der
Autonomen Municipios (Kreise) eine eigene Verwaltungsstruktur, wobei –
mit vielen Unzulänglichkeiten behaftet – Schritt für Schritt ein eigenes
Schulsystem, eine eigene Gesundheitsversorgung und eine eigene ökonomische
Basis aufgebaut wird. Neben der subsistenzwirtschaftlichen Versorgung mit
Lebensmitteln ist das vielleicht bekannteste Beispiel der in Deutschland
vertriebene „Cafe Libertad“, der von der zapatistischen Koperative „Mut Vitz“
produziert wird. Im Sommer 2003 zogen die Zapatistas Bilanz, analysierten die
Vergangenheit, bekannten öffentlich Fehler und reorganisierten ihre Struktur,
indem sie „Räte der guten Regierung“ schufen – fünf basisdemokratisch
organisierte Lokalregierungen, die für Regionen von jeweils Tausenden
zapatistischen Bewohneren verantwortlich sind. Auch wenn
sie nur noch gelegentlich die von der Presse in Europa beachtet werden – die
Zapatistas „gehen fragend“ ihren Weg – so wie sie es in der Zeit, wo linke
Projekte Anfang der 90er Jahre totgesagt wurden, immer getan haben, und sie
sind auch weiterhin eine Inspiration für die „unorthodoxe“ Linke auch hier in
Deutschland. Mehr Informationen unter http://www.gruppe-basta.de/ und http://www.chiapas.ch/ oder tägliche Infos
bei pcl@nexgo.de. -> Startseite Gruppe
B.A.S.T.A. |